kunstwegen - unterwegs in einem offenen Museum fuer zeitgenoessische Kunst, Natur und Geschichte. Hier lockt ein Urlaub mit dem Fahrrad im Vechtetal mit Kunst als Leitmotiv.

Tamara Grcic

Tamara Grcic, anderswohin, 2011 Tamara Grcic, anderswohin, 2011 (Detail) Tamara Grcic, anderswohin, 2011 (Detail)
Tamara Grcic, anderswohin, 2011 Tamara Grcic, anderswohin, 2011 (Detail) Tamara Grcic, anderswohin, 2011 (Detail)

anderswohin

In der Nähe des Neubaugebiets »Am Kreuzbree« und der Siedlung »Am Berg« in Hestrup bei Nordhorn befindet sich in einem kleinen Wäldchen ein in der überwiegend flachen Landschaft ungewöhnlich erscheinender Hügel. Von hier aus schaut man zwischen hohen Bäumen hindurch auf der einen Seite über die Vechteaue, auf der anderen Seite erkennt man Wohnhäuser.

Auf der Kuppe des Hügels hat Tamara Grcic zwölf gefäßförmige Skulpturen aus Bronze platziert. Sie wirken wie aus dem Boden entwachsen. Ihre Höhe variiert ebenso wie ihre Form. Die geschlossenen Oberseiten / Gefäßhälse wurden glatt poliert, sodass sich Natur und Umgebung auf ihnen widerspiegeln. Die Skulpturen lassen sich als Sitzgelegenheiten zum Verweilen oder als Auflagefläche benutzen. An den äußeren Seiten blieben die Skulpturen unbearbeitet. Als Vorbild dienten Tamara Grcic Profilzeichnungen und Rekonstruktionen von verschiedenen Trichterbechern aus der Jungsteinzeit (ca. 4200 – 2800 v.Chr.), die sie vergrößern ließ. Der Skalierungsmaßstab des jeweiligen Objekts wurde in das blank glänzende Metall eingraviert. Zahlzeichen wie zum Beispiel das »3:1« bedeuten folglich eine dreifache Vergrößerung des Ausgangsobjekts. Wer ganz genau hinschaut, erkennt in den mattdunklen Wandungen eine Oberflächentextur wieder, die an Rinde erinnert. In Wirklichkeit hat sich das Basismaterial für die erste Formung in Styropor hier abgedrückt und blieb im weiteren Gussverfahren erhalten.

Anregen ließ sich die Künstlerin durch archäologische Bodenfunde. Bei den Baggerarbeiten auf dem ehemaligen Flurstück »Pastorsesch« für die Neubausiedlung »Am Kreuzbree« war man auf Spuren prähistorischer Besiedlung gestoßen. Die archäologischen Ausgrabungen im Frühjahr 2009 förderten gut erhaltene Keramikscherben aus der Trichterbecherkultur der Jungsteinzeit zutage, die von den ersten Bauern Norddeutschlands stammen. In der Vorzeit dienten Trichterbecher der Vorratswirtschaft, als Trinkgefäße oder auch zur Herstellung von Essen. Ihren Namen führen diese Gefäße erst seit dem frühen 20. Jahrhundert. Er wurde abgeleitet von ihrer typischen Gestalt, dem bauchigen Unterteil und einer trichterförmigen Wölbung über der Gefäßschulter.

Warum ließen sich ausgerechnet in diesem Stückchen Erde so viele prähistorische Funde machen? Ein Grund ist dessen Nähe zur Vechte. Es war überlebenswichtig, in Reichweite des Wassers zu siedeln und zugleich einen gewissen Sicherheitsabstand einzuhalten. Der Fluss trat bis zu seiner Regulierung im 20. Jahrhundert regelmäßig über die Ufer. Ein anderer Grund ist der mächtige Eschboden. Der in Hunderten von Jahren aufgeschichtete Esch bildete einen zuverlässigen Schutz für die Fundstücke, die in der darunter liegenden Sandschicht verborgen waren. Und wie entstand der Hügel? Nachforschungen der Künstlerin ergaben: »Es ist unklar, wie der kleine Berg aus der sonst flachen Landschaft erwachsen ist. Möglicherweise wurde er im Mittel alter als ›Fluchtort‹ errichtet. Heute kann er das im übertragenen Sinne sein. Er kann für die Bewohner der Siedlung zu einem verborgenen Treffpunkt oder zu einem Rückzugsort werden. Ein Ort, an dem man den eigenen Maßstab in Relation setzen kann zur Geschichte, zu den hohen Bäumen, zu der Weite des Vechtetals, zu den Vögeln, die man hier hören und beobachten kann, zum Himmel, zu den Häusern der Siedlung, die man von oben mit Abstand betrachten kann.« (Tamara Grcic)

Die zwölf Skulpturen scheinen wie Pilze aus dem Boden gewachsen zu sein, als ob sie mit diesem Platz verbunden wären. Sie werden ein Teil dieser Landschaft.Der eine oder andere wird auch den Klang der Objekte für sich entdecken. Sie erzählen die Geschichte eines Ortes neu, an dem Menschen einst vorübergehend sesshaft geworden sind, um schließlich anderswohin weiterzuwandern.

Bronze, verschiedene Maße

über die künstlerin

1964 geboren in München

lebt und arbeitet in Wien und Frankfurt am Main