Ruisdael
Stipendium
2015
Buck Ellison – Country Day
Von Ryan Linkof
Den Fotografien von Buck Ellison wohnt etwas hochgradig, ja sogar verstörend Hygienisches inne. Mit eigentümlich lakonischer Haltung entwirft Ellison das Bild einer gehobenen, gesundheits- und standesbewussten weißen Mittelschicht in Amerika. Aufgewachsen an einem ihrer Hauptentstehungsorte – Marin County etwas nördlich von San Francisco – kennt Ellison diese Welt aus eigener Anschauung. Wie ein Spiegel richtet sich sein Werk nicht nur auf jenes gesellschaftliche Umfeld, in dem er selbst aufgezogen wurde, sondern auch auf sein mutmaßliches Publikum, auf die privilegierten Kunstkäufer. Anders jedoch als Tina Barney, deren Fotografien weißer, angelsächsischer Protestanten an der Ostküste von großem Einfluss für sein Werk waren, wahrt Ellison eine kritische Distanz zu seinen Motiven. Sein Projekt ist nicht dokumentarisch und auch nicht sonderlich mitfühlend, sondern vielmehr neugierig und nüchtern, mit einem Hauch von Ironie. Die Körper in Buck Ellisons Fotografien sind sauber, manikürt und wohlgenährt, und dennoch scheint Ellison mit all dieser ordentlichen Normalität darauf hinzuweisen, dass etwas faul ist im weißen Amerika.
»Country Day«, der Titel der Ausstellung, erinnert an die lange Geschichte der seltsamen Verbindung von ländlicher Idylle, politischer Reformbewegungen des frühen 20. Jahrhunderts und weißer Stadtflucht. Abseits vom Dreck und den Verbrechen amerikanischer Großstädte des ausgehenden 19. Jahrhunderts boten Landschulen (Country Day Schools) eine gesunde – vor allem gesund angelsächsische – Alternative zu den Massen des innerstädtischen Bildungssystems. Ellison gebraucht diesen Begriff entsprechend historisch und verleiht ihm zudem eine zwingend gegenwärtige Bedeutung. Er ist sich sehr genau jener Ängste bewusst, die Familien der gehobenen Mittelschicht in die Flucht aus den amerikanischen Städten trieb. Das lippenstiftrote Ausstellungsplakat bündelt diesen Gedanken in einer Reihe von Wortpaaren, wie »arts emphasis«, »cold pressed«, »family foundation«, »individualized study«, »living trust«, »small plates«, und als passenden Abschluss »water birth«. Diese einprägsamen Begriffe, die Erziehungshandbüchern oder auch Speisekarten von Restaurants mit regionalen Produkten entlehnt sind, verweisen auf begehrenswerte und ethisch verantwortungsvolle Lifestyle-Angebote. Zugleich sind sie Schlüsselwörter einer gesellschaftlichen Klasse und dienen als Erkennungszeichen von Geschmack und Bildung.
Im Kern befragt das Projekt jene soziale Welt, welche die Verheißung von Selbstverwirklichung durch Konsumgewohnheiten in sich aufgenommen hat. Seine Akteure haben sich die Faszination verantwortungsbewusster und individualisierter Lifestyle-Angebote zu eigen gemacht, die persönliche und ökologische Besserstellung versprechen. Ob ein Imbiss mit Hummus oder der fröhliche Aufbruch in das Universitätsjahr in einem vermutlich exotischen und unterentwickelten Land – diese schönen jungen Menschen verkörpern eine merkwürdige Mischung aus Kapitalismusfantasie und liberaler Politik.
Ryan Linkof ist kuratorischer Assistent in der Abteilung Wallis Annenberg Photography im Los Angeles County Museum of Art (LACMA), wo er seit der Erlangung seines PhD-Grades an der University of Southern California im Jahr 2011 tätig ist. Er hat mehrere Ausstellungen am LACMA realisiert, darunter Robert Mapplethorpe: XYZ, The Sun and Other Stars: Katy Grannan and Charlie White, John Divola: As Far as I Could Get, and Catherine Opie: O. Seine wissenschaftlichen Forschungsergebnisse wurden in den Zeitschriften Photography and Culture, Études photographiques und Media History veröffentlicht. Darüber hinaus ist er Co-Autor in mehreren Bänden, so auch in der bevorstehenden Publikation Robert Mapplethorpe: The Photographs (Getty Publications, 2016).
Buck Ellison (geb. 1987) lebt und arbeitet in Berlin und Los Angeles. Als Meisterschüler schloss er 2014 seine Ausbildung an der Städelschule in Frankfurt ab, den B.A. erlangte er 2010 an der Columbia University in New York. Zu seinen aktuellen Ausstellungen gehören unter anderem Misanthrope-NY, Mathew Gallery, New York, The Social Register, Park View, Los Angeles, Villa Aurora Revisited, Galerie Balice Hertling, New York, and Zitronenblätter, Villa Aurora in Los Angeles vertreten (alle im Jahr 2015).
Eröffnung: Sonntag, 29. November 2015, 14 Uhr Dauer: 29. November bis 28. März 2016
Untitled (Hands), Editions 1, 2 and 3, Artist’s Prints 1 and 2, Exhibition Prints 1 and 2, 2009; Sunset, 2015
Künstlerbuch
Buck Ellison, »Country Day«
herausgegeben von Edition kunstwegen, Städtische Galerie Nordhorn
160 Seiten mit 43 farbigen Abbildungen. Text in englischer Sprache.
Das Künstlerbuch ist an der Kasse der Burg Bentheim erhältlich oder kann in der Städtischen Galerie Nordhorn bestellt werden (www.staedtische-galerie.nordhorn.de).
Preis
25 EUR
Presse
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